Die DiGA somnio bei Schlafproblemen

Bei Schlaflosigkeit denkt man intuitiv als Lösung an die Einnahmen von Medikamenten, also Schlaftabletten. Dass es auch anders geht und in der heutigen Zeit vielleicht weniger angebracht ist, steht auch in der medizinischen Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf / Schlafstörungen“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Danach ist eine Kognitive Verhaltenstherapie – Insomnie (KVT-I) für nicht-organische Insomnie einer Medikamentenbehandlung vorzuziehen.

Das Tolle: Eine solche KVT-I gibt es jetzt sogar als „App auf Rezept“. Die App somnio des Anbieters mementor DE ist seit Oktober 2020 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) zugelassen. Die Kosten für die Benutzung müssen von allen gesetzlichen Krankenkassen (bei entsprechender Diagnose) übernommen werden.

Die App somnio

somnio ist als App für die Behandlung von nicht-organisch bedingter Insomnie zugelassen, das heißt bei Einschlaf-, Durchschlafstörungen oder sogenanntem Früherwachen.

Beim erstmaligen Start der App werden dem Nutzer sieben Fragen aus dem am häufigsten eingesetzten Schlaftest gestellt, zum Beispiel „Wie sehr haben dich deine Schlafprobleme im Alltag beeinträchtigt“. Aus den Antworten wird auf einer Skala von 1 bis 28 die Schwere der Schlafstörung ermittelt. Die Antwort wird grafisch in einem Halbkreis mit vier farbig unterschiedlich dargestellten Bereichen angegeben. Eine Erläuterung erfolgt dann auf der Tonspur.

Bei meinen Ergebnis 9 – das ist der Anfang des „unauffälligen bis leicht auffälligen Bereichs“ – bedeutet das beispielsweise, dass es eine „gewisse Wahrscheinlichkeit [gibt], dass du an einer Schlafstörung oder Insomnie leidest“, siehe Bild 1.

Die sich anschließende Kognitive Verhaltenstherapie wird in der App über 15 Modulen mit je 5 bis 25 Minuten Dauer realisiert. Dazu gehören nützliche Informationen, wie beispielsweise Schlafwissen (Psychoedukation) oder Informationen über den Kreislauf der Insomnie ebenso wie praktische Übungen, beispielsweise die progressive Muskelentspannung, dazu. Nutzer lernen unter anderem, ihre Schlafzeiten zu optimieren, einem individuell abgestimmten Schlaf-Wach-Rhythmus zu folgen, mit schlafhindernden Gedanken umzugehen oder sich mittels Entspannungstechniken in einen schlafförderlichen Zustand zu bringen.

Gut gefällt mir, dass im Einleitungsmodul der App individuelle Ziele festgelegt und während der Therapie deren Erreichen regelmäßig überprüft werden (Zielauswahl siehe Bild 2).

Durch die App führt die Kunstfigur Albert, siehe Bild 3. Es macht Spaß Albert beim Reden und damit der Wissensvermittlung zuzuhören und vor allem auch zuzusehen. Gut dabei: Die Sprechgeschwindigkeit kann der Nutzer an sein Bedürfnis anpassen.

DiGA somnio - 1
Bild 1: Auswertung Schlaf-Fragebogen
DiGA somnio - 2
Bild 2: Potenzielle Ziele
DiGA somnio - 3
Bild 3: Albert, der Schlafcoach
Tracker zur Aufzeichnung des Schlafs wie Armbänder von Fitbit, Garmin oder Withings können optional verwendet werden, sind aber nicht notwendig – es reicht die App auf dem Handy.

So zeichnet somnio zwar keine Schlafdaten auf, fragt diese aber über einen Fragebogen morgens (z.B. wann bist du ins Bett gegangen und wann bist du eingeschlafen) und abends (z.B. wie war deine Stimmung oder wieviel Kaffee hast du getrunken) ab. Hilfreich ist der Hinweis, dass es sich um subjektive Daten handelt (Schätzungen), der Benutzer sich also keine Gedanken machen sollte, ob er sie absolut korrekt angibt.

Auswertungen

Das sich aus den Fragebögen ergebende Schlaftagebuch und seine Auswertungen sind das zentrale Instrument der App beziehungsweise der Behandlung und der Fortschrittsverfolgung. Damit kann das Programm analysieren, wie sich der Schlaf entwickelt, ob gelernte Verhaltensregeln eingehalten werden und wie sich die persönlichen Zielparameter verändern. Auch das Schlaftraining, so gibt es der Anbieter mementor DE an, wird für den Benutzer damit spezifisch angepaßt.

In Bild 4 sieht man die Auswertung für das Morgenprotokoll. Während unten wenige, typischerweise Durchschnittsdaten groß dargestellt werden, sind oben die Werte der letzten sieben Tage als Balkengrafiken dargestellt. Basierend auf der Schlafzeit und der Bettliegezeit wird die Schlafeffizienz errechnet und in den kleinen orangefarbenen Kreisen für jede Nacht angegeben.

Die Schlafeffizienz ist auch der Kernwert für die Beurteilung des Schlafs. So wird bei der Zielanalyse zuerst geprüft, ob das Schlaftagebuch regelmäßig ausgefüllt wurde, dann ob das vorgeschlagene Schlaffenster eingehalten wurde, danach die selbstgesetzten Ziele und abschließend die Entwicklung der Schlafeffizienz. Oberstes Ziel ist es dabei, die Schlafeffizienz zu verbessern. Eine gute Schlafeffizienz liegt bei 85-90% (bei älteren Menschen etwas niedriger).

In Bild 5 sieht man die Auswertung für das Abendprotokoll, im dargestellten Bild mit dem Blick auf die Stimmung und die Leistungsfähigkeit der letzten sieben Tage. Gut gefällt mir insbesondere der Blick auf die einzelnen Tage (und Nächte) des Schlafprotokolls, wie beispielsweise in Bild 6 die eingegeben Daten für den Tag 23.11.2021.

DiGA somnio - Bild 4
Bild 4: Auswertung Morgenprotokoll
DiGA somnio - Bild 5
Bild 5: Auswertung Abendprotokoll
DiGA somnio - Bild 6
Bild 6: Details Abendprotokoll

Mein Fazit

somnio wendet nach eigener Aussage wissenschaftlich gründlich untersuchte und effektive Methoden aus 30 Jahren (Schlaf-) Forschung an. Dank Albert, der die zentrale Begleitfigur durch die Kognitive Verhaltenstherapie ist, die somnio realisiert, macht es Spaß mit der App zu arbeiten.

Kleiner Kritikpunkt aus meiner Sicht: Die möglichen Auswertungen sind einerseits zu umfangreich und zu detailliert für einen ungeübten (oder digital weniger affinen) Benutzer. Gleichzeitig – auch wenn sich das paradox anhören mag – ist bei den Standarddarstellungen (Bild 4 und Bild 5) der ausreichend vorhandene Platz nicht optimal ausgenutzt.

Alles in allem eine empfehlenswerte App, mit der es Spaß macht zu arbeiten und die, wie Studienergebnisse zeigen, hilft, den Schlaf zu verbessern.

Ein ausführliches Testvideo von mir zu somnio in Zusammenarbeit mit der DG Digitales Gesundheitswesen GmbH gibt es auf der Webseite digitales-gesundheitswesen.de in der Rubrik DiGA.

Verwendete Apps und Versionen

Folgende Versionen habe ich für diesen Bericht verwendet:
somnio auf dem iPhone, Version 1.1.15

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1 Kommentar

  1. Christian

    Persönliche Kritik:

    Ich bin ehrlich gesagt von der Somnio-App nicht begeistert. Die Informationen, die die App bereitstellt, sind im Internet allgemein verfügbar, und dennoch kostet die App 225€ für einen Zeitraum von drei Monaten. Als Privatpatient fielen für mich keine Kosten an, aber für Selbstzahler erscheint der Preis unverhältnismäßig hoch. Die App bietet zudem nur die Methode der Schlafverkürzung als universelle Lösung für eine breite Palette von Schlafstörungen an. Für Menschen mit nicht-organischen Schlafproblemen könnte sie nützlich sein. Der einzige Pluspunkt ist die durch die App geförderte Disziplin. Es ist bemerkenswert, wie rentabel eine App sein kann, die monatlich 78€ kostet. Wenn die Krankenkassen dies jedoch akzeptieren, scheint es weniger problematisch zu sein.

    Ich persönlich leide an einer organischen Schlafstörung. Ein Schlafmediziner hat mir die App zwar verschrieben, aber ich konnte die Methode der Schlafverkürzung nicht durchführen. Die kognitiven Einschränkungen im Alltag wären so gravierend gewesen, dass ich nicht mehr hätte arbeiten können. Daher musste ich die Methode abbrechen. Dennoch sehe ich die Vorteile der App für Menschen mit Depressionen und Angstzuständen, also bei nicht-organischen Schlafstörungen, oder für diejenigen, die von Schlafmitteln loskommen wollen.

    Die Somnio-App basiert auf der Studie „Randomized Controlled Trial to Test the Efficacy of an Unguided Online Intervention with Automated Feedback for the Treatment of Insomnia“, die unter https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30185239/ zu finden ist. In Studie wurde die Behandlungsmethode der kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie (CBT-I) verwendet. Diese wurde in einer Online-Form angeboten, genannt „mementor somnium“. Die Teilnehmer wurden durch einen animierten Schlafcoach durch die Intervention geführt. Der Coach lieferte audiovisuelle Informationen, die durch dynamischen und interaktiven grafischen Inhalt unterstützt wurden. Zu Beginn der Intervention setzten die Teilnehmer Ziele, auf die sie kontinuierliches Feedback basierend auf den Daten aus einem Schlaf-Tagebuch erhielten. Die Dauer der Intervention betrug 6 Wochen.

    Die Stärken und Schwächen der Studie sind wie folgt:

    ### Stärken

    – **Randomisiertes Kontrolliertes Design**
    – Die Verwendung eines randomisierten kontrollierten Versuchs (RCT) erhöht die Glaubwürdigkeit der Studienergebnisse.
    – RCTs sind der Goldstandard in der klinischen Forschung zur Ermittlung von Kausalzusammenhängen.

    – **Langfristige Nachbeobachtung**
    – Die Studie beinhaltet eine 12-monatige Nachbeobachtung, was als Stärke angesehen wird.
    – Dies ermöglicht die Beurteilung der langfristigen Wirksamkeit der Intervention, ein Aspekt, der in ähnlichen Studien oft fehlt.

    – **Mehrere Ergebnismaße**
    – Die Studie betrachtet nicht nur die Schwere der Schlaflosigkeit.
    – Sie umfasst auch schlafbezogene Kognitionen, Sicherheitsverhalten und psychisches Wohlbefinden (Depression und Somatisierung).
    – Dies bietet einen umfassenderen Einblick in die Auswirkungen der Intervention.

    ### Potenzielle Schwächen:

    – **Stichprobengröße**
    – Relativ kleine Stichprobengröße von 56 Teilnehmern
    – Einschränkung der Übertragbarkeit der Ergebnisse
    – Notwendigkeit größerer Studien zur Bestätigung

    – **Fehlende Angstreduktion**
    – Keine signifikante Abnahme der Angstniveaus festgestellt
    – Einschränkung bei angstbedingter Schlaflosigkeit

    – **Ausschlusskriterien**
    – Ausschluss von Personen mit anderen Schlafstörungen und psychologischer Behandlung
    – Begrenzte Anwendbarkeit auf breitere Bevölkerungsgruppen mit Begleiterkrankungen

    – **Ungesteuerte Art der Intervention**
    – Fehlende personalisierte klinische Unterstützung
    – Einschränkung für Personen, die individuellere Anleitung benötigen

    – **Selbstberichtete Messungen**
    – Verwendung des Insomnia Severity Index
    – Potenzial für Berichtsverzerrung und Zuverlässigkeitsprobleme

    – **Kein Vergleich mit traditionellen Methoden**
    – Fehlender direkter Vergleich mit persönlichen CBT-I-Methoden
    – Begrenzte umfassende Einblicke in die Wirksamkeit der Online-Intervention

    ### Allgemeine Erkenntnisse:

    Die Studie leistet einen wertvollen Beitrag zur Literatur über Online-Interventionen bei Schlaflosigkeit, insbesondere durch die Demonstration des Potenzials für eine langfristige Wirksamkeit. Die Einschränkungen im Zusammenhang mit der Stichprobengröße, den Ausschlusskriterien und dem Fehlen bestimmter Vergleichsdaten legen jedoch nahe, dass weitere Forschungen erforderlich sind, um die Ergebnisse der Studie vollständig zu validieren und zu verallgemeinern. Zukünftige Studien könnten von einer größeren, vielfältigeren Stichprobengröße, der Einbeziehung von Personen mit Begleiterkrankungen und einem direkten Vergleich mit traditionellen Behandlungsmethoden profitieren.

    Eine „One-Size-Fits-All“-Lösung, also eine universelle Lösung, die für alle gleich gut funktionieren soll, hat sowohl Vor- als auch Nachteile, insbesondere im Kontext medizinischer oder psychologischer Interventionen wie der Behandlung von Schlaflosigkeit.

    ### Vorteile:

    1. **Skalierbarkeit**: Eine universelle Lösung ist leichter zu skalieren und kann einer größeren Anzahl von Menschen zugänglich gemacht werden.

    2. **Kosteneffizienz**: Solche Lösungen sind oft kostengünstiger, da sie keine individuelle Anpassung erfordern.

    3. **Einfache Implementierung**: Ein standardisiertes Programm ist einfacher zu implementieren und zu verwalten.

    4. **Schnelle Hilfe**: Für Menschen, die sofortige Hilfe benötigen und keinen Zugang zu spezialisierten Diensten haben, kann eine universelle Lösung eine praktikable Option sein.

    ### Nachteile:

    1. **Mangel an Personalisierung**: Jeder Mensch ist unterschiedlich, und eine universelle Lösung kann nicht alle individuellen Bedürfnisse oder Umstände berücksichtigen.

    2. **Risiko der Unterversorgung**: Bei komplexeren oder komorbiden Zuständen kann eine „One-Size-Fits-All“-Lösung unzureichend sein und eine spezialisierte Behandlung erforderlich machen.

    3. **Nicht für alle effektiv**: Wie die Studie zeigt, gab es keine signifikante Reduzierung der Angstniveaus, was darauf hindeutet, dass die Intervention nicht für alle Arten von Schlaflosigkeit geeignet ist.

    4. **Potenzielle Fehldiagnose**: Ohne individuelle Beurteilung besteht die Gefahr, dass die eigentliche Ursache eines Problems nicht erkannt oder behandelt wird.

    ### Einsichten:

    Im Kontext der Studie zur Behandlung von Schlaflosigkeit könnte eine „One-Size-Fits-All“-Online-Intervention für viele Menschen nützlich sein, insbesondere für diejenigen, die keinen Zugang zu spezialisierten Diensten haben. Allerdings zeigen die verschiedenen Einschränkungen der Studie, dass solche Lösungen nicht für alle geeignet sind. Insbesondere Menschen mit komorbiden Zuständen oder spezifischen Bedürfnissen könnten von einer individuelleren Herangehensweise profitieren. Daher sollte eine „One-Size-Fits-All“-Lösung als eine von mehreren Optionen betrachtet werden, die in einem breiteren Behandlungsspektrum verfügbar sind.

    Für Somnio könnten noch spezifische Verbesserungen in Betracht gezogen werden:

    1. **Ernährungsberatung**: Ein Modul, das sich auf die Rolle der Ernährung bei Schlafqualität konzentriert, könnte eine sinnvolle Ergänzung sein.
    2. **Bewegung und Schlaf**: Informationen und Tipps zur Rolle von körperlicher Aktivität bei der Verbesserung des Schlafs könnten nützlich sein.
    3. **Peer-Support-Gruppen**: Ein sicherer Raum für den Austausch mit anderen Benutzern könnte zusätzliche Unterstützung und Motivation bieten.
    4. **Schlaf-Supplements**: Die Integration von Informationen über die Wirkungsweise und Studien, Dosierung und Nebenwirkungen sowie der Vergleich von Optionen bei Schlaf-Supplements könnte eine interessante Erweiterung der App darstellen.

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