Patientenplattformen
Auf die Plattform PatientsLikeMe, zu deutsch: „Patienten wie ich“, bin ich durch einen Abschnitt im Buch „Was würde Google tun?“ von Jeff Jarvis, einem amerikanischen Journalisten, aufmerksam geworden. Jarvis, der von seinen Beschwerden wie beispielsweise gelegentlichem Herzflimmern auf Twitter und seinem Blog berichtete, schreibt darin: „Andere Patienten haben mich unterstützt, mir Links zu Informationsquellen geschickt, von ihren Erfahrungen mit verschiedenen Behandlungsmethoden berichtet, die ich in Betracht zog, und mir aktuelle Infos über Firmen geschickt, die an neuen Therapien arbeiten“.
Bei intensiverer Beschäftigung mit dem Thema entdeckte er auch die Plattform PatientsLikeMe, auf der unter anderem ein Austausch zum Beispiel über wirksame Medikationen bei anderen Patienten mit den gleichen Krankheiten oder von Ängste und Erfahrungen, die andere in Bezug auf ihre Krankheit auch gemacht haben, berichtet wurde. Dieser Austausch ist es, der kranken Menschen ein wenig der Ungewissheit, was auf sie zukommen kann, nehmen und damit auch Ängste zumindest ein wenig reduzieren kann. Im Artikel „Austausch auf deutschen Patientenplattformen“ habe ich schon einmal kurz über solche Patientenplattformen berichtet.
PatientsLikeMe – Überblick in Zahlen
Die Plattform wurde von den beiden Brüdern Jamie und Ben Heywood zum Austausch betroffener Patienten gegründet, nachdem bereits in 1999 bei ihrem Bruder Stephen Amyotrophe Lateralsklerose (ALS, eine chronisch degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems) diagnostiziert wurde. In 2011 wurde die Plattform dann für alle Krankheiten geöffnet und hat nun mittlerweile über 500.000 Patienten, die sich auf ihr zu über 2.700 „conditions“ (ich würde das in diesem Zusammenhang als Krankheiten und Einschränkungen übersetzen) austauschen. Damit hat PatientslikeMe ein Vielfaches an Nutzern wie deutsche Foren: das deutsche Medizin Forum beispielsweise hat über 64.000 Nutzer, bei Paradisi über 55.000 Nutzer registriert und bei Leben-mit-transplantation.de sind keine Nutzerzahlen angegeben, aber je Forum sind unter 1.500 Beiträge geppostet (was ja auch einen Eindruck zur Nutzerzahl erkennen lässt).
Im Dezember 2016 gaben – um einen konkreten Vergleich mit meinem Bericht „Austausch auf deutschen Patientenplattformen zu ermöglichen, 2.276 Patienten auf PatientsLikeMe an, eine Nierentransplantation zu haben, davon sagten 1.822 Patienten, dass das ihre primäre Krankheit ist.
Auf der Plattform sind nach eigenen Angaben mittlerweile über 40 Millionen Datenpunkte zu den verschiedenen Krankheiten eingegeben, die ein großes Potenzial an Informationen enthalten. Einerseits werden diese Datenpunkte (zum Beispiel Patient mit Krankheit x nimmt Medikament y ein) den anderen Nutzern beziehungsweise Patienten auf der Plattform zur Verfügung gestellt. Andererseits arbeitet PatientsLikeMe auch mit Unternehmen aus der Gesundheits- und Pharmabranche wie Takeda oder AstraZeneca zusammen, damit aus der Menge an Daten bessere Behandlungsmöglichkeiten entstehen. Hinweis: im nächsten Teil dieses Berichts schaue ich auch detaillierter auf den Datenschutz der Plattform PatientsLikeMe.
Potenziell hat man über die Plattform auch Zugriff auf über 100 medizinische Studien – im April 2017 wurde eine vollständige Bibliographie dieser Unterlagen veröffentlicht. Darüber können interessante Dokumente identifiziert und bei Interesse über die Plattform eine entsprechende Unterlage angefordert werden. Je nach Veröffentlichungsfreigabe kann man diese Studie dann bekommen.
Selbst eine Anzahl an klinischen Studien sind zusammengetragen wurden. Mit einer Suchmaske, in der verschiedene Daten wie Krankheit, Geschlecht und Entfernung vom Wohnort, einzugeben sind, können Interessierte passende Studien identifizieren und Kontakt inklusive Teilnahmeanfrage aufnehmen.
Foren bei PatientsLikeMe
Einer der wesentlichen Mehrwerte sind die aktuell 43 verschiedenen Foren von Diabetes über Schlafstörungen bis zu Krebserkrankungen, in denen sich die Patienten austauschen können (ein Ausschnitt der Forenübersicht ist in Bild 1 dargestellt). Dabei reichen die Mitgliederanzahlen der einzelnen Foren, wenn man allgemeine oder technische Foren der Plattform einmal nicht berücksichtigt, bis zu rund 130.000 Mitgliedern (Mentale Gesundheit).
Bild 1: Übersicht (Ausschnitt) über die Foren von PatientsLikeMe
Was mir gut gefällt: man kann aus der Foren-Gesamtliste „seine Foren“ auswählen und markieren beziehungsweise speichern, damit ist die Übersicht und der spätere spezifische Zugriff für den Nutzer einfacher und schneller gewährleistet.
In den verschiedenen Foren gibt es jeweils drei Möglichkeiten Einträge anzusehen:
- Alle Topics in der Reihenfolge des letzten Beitrags (also ganz oben das Thema, zu dem zuletzt ein neuer Beitrag geschrieben wurde, siehe Bild 2)
- „Most Helpful“ – nach Anzahl der „Daumen hoch“, die für die einzelnen Beiträge beziehungsweise Kommentare abgegeben wurden, siehe Bild 3
- Für die Suche innerhalb eines Forums nach einem einzugebenden Begriff
Bild 2: Ausschnitt letzte Beiträge
Bild 3: Ausschnitt „helpful posts“, das heißt, „am besten bewertete Beiträge“
Behandlung, Medikamente
Für Menschen, die regelmäßig Medikamenten nehmen müssen, sehr interessant und nach meiner Meinung noch mehr wert als die Foren, ist die Sammlung der Daten der Leidensgenossen, die den Betroffenen hilft, ihre Beobachtungen und Erfahrungen im Vergleich zu anderen einzuschätzen und zu bewerten.
Die entsprechende Seite eines Wirkstoffs beginnt mit einer kurzen Übersicht zum jeweiligen Wirkstoff mit der Angabe der möglichen Medikamente, die ihn enthalten. Dies wird zunächst mit quantitativen Angaben zum „Grund der Einnahme dieses Medikamentes (Krankheit)“ und der „wahrgenommenen Effektivität“ ergänzt, beides siehe Bild 4 zu Tacrolimus.
Bild 4: Medikamenten-Übersicht, Einsatzbereiche und wahrgenommene Effektivität durch den Patienten
Es folgende weitere quantitative Angaben der Plattformnutzer (natürlich auf freiwilliger Basis eingesammelt) zu:
- Nebenwirkungen (Art und Schwere)
- Eingenommene Dosis
- Gründe, warum das Medikament ggf. wieder abgesetzt wurde
- Dauer der Einnahme
- Dauer der Einnahme bis zur Absetzung
- Einhaltung der Einnahmeregeln
- Burden
- Kosten pro Monat
- Bei Wechsel: statt welchem Medikament
- Bei Wechsel: ersetzt durch welches Medikament
Bild 5: Ausschnitt der weiteren quantitativen Angaben zum Wirkstoff Tacrolimus als Beispiel
Wenn man in einem (zum Beispiel: Forums-) Beitrag den Namen eines Medikamentes schreibt (sofern es automatisch von der Plattform erkannt wird), dann wird daraus automatisch (in blauer statt normaler schwarzer Schrift und mit der Darstellung einer Pillendose daneben) ein Link zum Wirkstoff ergänzt.
Mit dieser „Wirkstoff-Funktion“ fällt es so zum Beispiel leichter einzuschätzen, ob man sich „im normalen Bereich“ der Dosierung befindet oder eher unter- oder oberhalb und wie die eigenen Wahrnehmungen in Bezug auf Wirkung und Nebenwirkungen sich mit denen von anderen zur Einnahme decken. Hilfreiche Informationen für einen verantwortungsbewussten und engagierten Patienten für seine Gesundheit.
Lesen Sie weiter demnächst in Teil 2!
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